Einmal pro Monat lassen wir unserer
Kreativität freien Lauf und schinden unsere Schreibfedern
um ihnen zu den unterschiedlichsten Themen kleine Geschichten
zu entlocken.
Lasst euch zu eigenen Gedanken und
Geschichten inspirieren. Schreibt eure eigene kleine
"Lebens-geschichte".
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Der kalte böhmische Herbstwind und
ein schneereicher, eisiger Winter bedeuteten in unseren
Kindertagen für uns Schüler eine unglaublich harte Prüfung.
Dick vermummt in einen grünen Lodenmantel, Fäustlingen
und einer roten Haube, die ich tief ins Gesicht gezogen
hatte, marschierte ich mit den Dorfkindern auf unserer
Gemeindestraße von der Schule vier Kilometer heimwärts.
Dort, wo die Straße tiefer lag, erhoben sich auf beiden
Seiten streckenweise hohe Schneewände. Auf halbem Weg
kam uns mein Vater auf der rutschigen, mit Schneefurchen
versehenen Schneefahrbahn auf unserem Lindner Traktor
entgegen. Er hatte eine Ladung Bauholz auf dem Anhänger
geladen und ich wusste, dass er mit dieser Fuhre in
die Sägemühle nach Rainbach fuhr. Er stoppte, und winkte
mich zu sich heran. In bestimmendem Ton verlangte er
meine rote Haube, ging mit dieser zum Ende der Holzfuhre
und befestigte sie am hintersten, überstehenden Pfosten
mit einer Schnur. Nun fuhr mein Vater mit seiner Fuhre
in Richtung Sägemühle und ich sah meiner Haube, die
hinten am Pfosten baumelte, und nun als Begrenzungszeichen
herhalten musste, sehnsüchtig nach. Etwas trotzig stülpte
ich den Kragen über meinen Kopf und wir beeilten uns
nach Hause zu kommen.
Vater hatte, wie mir meine Mutter zu Hause erklärte,
wohl vergessen, das überlange Fuhrwerk zu kennzeichnen.
Sie erklärte mir, daß nach den gesetzlichen Verkehrsregeln
eine Ladung die nach hinten hinausragt, mit einer Tafel
oder einem auffallendem Gegenstand gekennzeichnet werden
muss, um nachfahrende Fahrzeuge zu warnen. Nun ja, das
leuchtete mir ein. Die Tatsache aber, daß ich meine
geliebte rote Haube, die mir meine Schwester Poldi gestrickt
hatte, danach nie wieder gesehen hatte, wollte mir nicht
so recht gefallen. Ich war sehr traurig, denn nun musste
ich mich wieder mit einem altmodischen Kopftuch vor
der Kälte schützen. Ich hätte mich nie getraut meinen
Unmut Vater zu gestehen, aber meinen Schwestern und
meiner Mutter klagte ich mehrmals mein Leid. Scheinbar
wurde ich gehört.
Wochen später lag unter dem Christbaum eine wunderhübsche
blaue Pudelhaube mit einer tollen Quaste aus blauer
und weißer Wolle. Meine große Schwester Elfi hatte sie
für mich in Linz besorgt und machte mir damit eine große
Freude. Niemals zuvor hatte ich eine schönere Pudelhaube
gesehen. Sie dehnte sich und schmiegte sich weich und
wohlig an meine Stirn und meine Wangen. Ich war dem
Christkind, meiner Mama und meiner Schwester Elfi überaus
dankbar.
Ausgelassen und überglücklich spielte ich mit meinen
beiden Brüdern an diesem Hl. Abend in unserer Stube
Geschenke verstecken. Dazu holten wir unsere Geschenke
hervor. Meine schicke Pudelhaube, Fritzis Laubsäge und
Karlis Dominospiel landeten an diesem Abend immer wieder
in verschiedenen Verstecken und wurden von uns eifrig
gesucht und wieder gefunden. Die Freude war uns in die
Gesichter geschrieben und so tollten wir aufgeregt bis
spät in den Abend. Auch unsere Eltern und die großen
Schwestern machten bei diesem Spiel begeistert mit,
und wir amüsierten uns alle köstlich.
Als ich zu später Stunde ein gar geniales Versteck für
meine Pudelhaube ausgemacht hatte, konnten meine beiden
Brüder sie dann trotz intensiver Suche nicht und nicht
finden. Ich triumphierte und freute mich über meinen
Einfallsreichtum. Der Abend war im Flug vergangen und
zu allem Übel vergaß ich meine blaue Pudelhaube in ihrem
Versteck.
Am nächsten Morgen saßen wir alle beim weihnachtlichen
Frühstück. Mutter schnitt in einer flachen Pfanne herrlich
duftenden Lebkuchen und kochte für die Erwachsenen Kaffee.
Meine älteren Schwestern bereiteten Kakao für uns Kinder.
Ich wurde in die Wohnung meiner Großeltern geschickt
um sie zum Frühstück zu bitten. Gemütlich saßen wir
anschließend alle in unserer Stube. Der Christbaum erfüllte
den Raum mit Tannenduft und mein kleiner Bruder schüttete
seine Dominosteine auf den Stubentisch. Vor Freude leuchteten
seine Augen und wir reihten mit ihm Dominostein an Dominostein.
Als meine Mutter im Holzofen nochmals tüchtig Holz nachlegte,
erfüllte urplötzlich ein furchtbarer Gestank unsere
Stube. Ein gar nicht weihnachtlicher beißender Geruch
stieg uns allen in die Nase. Was war geschehen? Mutter
untersuchte die Ofenluke nach ungewöhnlichem Brennmaterial,
konnte aber nichts entdecken. Es war ein Rätsel. Der
Gestank wurde immer schlimmer. Nicht im Entferntesten
dachte ich in meiner kindlichen Unbekümmertheit daran,
dass ich vielleicht mit diesem Gestank etwas zu tun
haben könnte. Nun riss Mutter plötzlich, der Gestank
hatte sich bis zur Unerträglichkeit gesteigert und Vater
begann schon zu murren, die Tür der Ofenröhre auf, und
sie zog ein geschmolzenes Stück Etwas heraus. Ich erschrak,
denn gerade in diesem Augenblick fiel mir mein letztes
geniales Versteck für meine Pudelhaube, die Ofenröhre,
wieder ein. Ich schämte mich entsetzlich und war zugleich
traurig und wütend auf mich selbst. Die Tränen kullerten
meine Wangen hinunter und ich sah meine Mama und meine
Schwester Elfi hilflos an. Niemand machte mir einen
Vorwurf, doch ich sah die Enttäuschung in ihren Gesichtern.
So hatte ein freudiges Suchspiel, in einer unvergeßlichen
Lehre für mich geendet. Die Ofenröhre ist ein gar gefährlicher
Platz für brennbares und schmelzendes Material.
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In früheren Zeiten gab es keinen Wetterdienst.
Bauchgefühl und Beobachtungsgabe gaben den Takt für
die Arbeit in der Landwirtschaft an. Nur vereinzelt
standen damals in so manchen Haushalten Radiogeräte
und erst nach und nach kam die verläßliche Methode des
Wetterwitterns mit zunehmender Medialisierung durch
Radio und TV ganz aus der Mode. 
Die Gabe des Wetterwitterns wurde von Generation zu
Generation vererbt und auch in unserer Familie wurde
sie noch von Großmutter liebevoll gehegt und verteidigt.
Davon möchte ich hier berichten:
Großmutter war gut darin den richtigen Zeitpunkt für
die Heuernte zu bestimmen - viel besser als mein Vater,
für den der richtige Zeitpunkt stets jener gewesen ist,
an dem er eben zu Hause und nicht in der Arbeit war.
Wenn Vater in den Sommermonaten zu heuen begann, ließ
uns oft der Wettergott oft aufs schändlichste im Stich.
Großmutters Gespür war da bewiesenermaßen besser und
so vertrauten wir uns immer wieder gerne ihrem Urteil
an, vorausgesetzt sie konnte sich gegen Vaters Dickschädel
durchsetzten.
Dieses Gespür für das Wetter war für sie aber in erster
Linie Selbstzweck gewesen, denn sie war nach einer schweren
Krankheit ein gar fröstelnder Typ geworden und wusste
sich so gegen kalte Temperaturen zu wappnen. Zusätzlich
schaffte sie sich auch noch Abhilfe, indem sie Jahr
ein Jahr aus im Zwiebellook, das heißt mit sechs Schichten
Kleidung an ihrem Körper, anzutreffen war.
„Der Holunder aber“, verriet sie mir
einmal,„ist im Frühjahr ein winterfester Wetterbote
für alle Bauern. Treibt er aus, ist die frostige Zeit
vorbei.“ Großmutter schleppte dann ihre Bettwäsche vors
Haus und wusch sie in einem großen Waschfass mit den
blechernen Waschrumpeln. Auch die Stubenfenster musste
Vater aushängen, sie wurden mit Lauge gebürstet und
danach mit klarem Wasser gespült. Da begann für uns
dann so richtig der Frühling und vor unserem Haus war
mächtig etwas los.
Auch für den Sommer kannte unsere Großmutter
so manche Wetterweisheit, wie zum Beispiel folgende:
„Wenn im Sommer die Kühe in einem fort grasen, dann
kann man getrost mit der Jauche ausfahren.“ So wertete
Großmutter ihre Beobachtungen aus - „denn dann kommt
Regen auf". Vater musste alsdann das hölzerne Jauchefass
vor unseren neun PS-Lindner Traktor spannen und damit
Jauche spritzen.
An der Beobachtung der Gänse konnte
Oma ergründen, ob gar ein strenger Winter bevorstand.
Großmutter marschierte also im Herbst quer über Nachbars
Wiese und schaute den Gänsen beim Einfetten ihres Federkleides
aufmerksam zu. Trugen diese dick auf, stand uns allen
ein strenger Winter bevor. Diese besondere Vorhersage
erhielten wir jedoch nicht jedes Jahr, denn vor den
Gänsen hatte Großmutter einen Heiden Respekt, denn einmal
war ihr bei ihren neugierigen Beobachtungen der lange,
scharfe Schnabel des Gänserichs zum Verhängnis geworden.
Als sie ihm in einem unachtsamen Augenblick den Rücken
zudrehte , zischte ihr der Gänserich nach, schnappte
ihren langen Kittel und zog so fest, dass die Kittelfetzen
flogen. Grantig und laut schimpfend lief sie so schnell
sie konnte heim.
Freilich hatte Großmutter auch ein
Barometer. Es hing im Vorhaus gleich neben der Haustür,
aber oft schimpfte sie lauthals: „Manchmal geht er rauf,
und der Regen runter.“ Ein besserer Regendedektor war
da unser Federvieh. Unser Hahn und seine Hennen scharrten
tagein und tagaus auf unserem Misthaufen herum. Wenn
unsere gefiederten Freunde aber auf diesem stumm und
listig auf ihre Lieblingsspeise, die Würmer passten,
so war dies ein untrügliches Zeichen für Regen. Wer
den Regen aber früher ahnte, Huhn oder Wurm, war ungewiss.
Und dann gab es da noch Omas Wunderwaffe…
Stapelte sie im Holzschuppen vorwiegend leichtes Ofenholz,
wussten wir schon Bescheid, denn ein Spruch der Lostage
den sie sehr schätzte, wurde für Großmutter zum Leitfaden:
„Sind die Zugvögel zu Michaeli am 29. September noch
nicht abgereist, setzt der Winter erst frühestens zu
Weihnachten ein.“
Großmutter war unsere Christa Kummer
gewesen, sie war zwar keine studierte Meteorologin,
aber sie wusste stets bescheid. „Wer in Gesellschaft
von Wind und Regen viele Stunden seines Lebens verbringt“,
so Großmutters Meinung, „der wird sie wie alte Freunde
schon von Weitem erkennen - so leicht ist das.“
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Gerade, wenn die Löcher auf unserer
vier Kilometer langen Sandstraße begannen, sich wieder
in Pfützen zu verwandeln, gerade zu dieser Zeit mühten
wir Dorfkinder uns wieder ab, mit voll bepackten Schultaschen,
jeden Morgen und jeden Nachmittag unseren Schulweg zu
bewältigen. Kein noch so starker Regen, Windböen, oder
um diese Jahreszeit oft unerwartet aufgetretener Schneefälle,
konnten uns davon abhalten, tapfer unserem jeweiligen
Ziel, am Morgen die Schule in Rainbach und am Nachmittag
unserem Zuhause, Deutsch Hörschlag, zügig und ohne große
Verzögerungen zuzusteuern.
Brannte jedoch an so manchen Tagen, gerade wenn wir
am Nachhauseweg waren die Sonne unbarmherzig auf uns
herab, und glaubten wir dem Verdursten nahe zu sein,
sah die Sache schon ganz anders aus. Wir waren allesamt
Schüler der ersten drei Volkschulklassen, enorm durstig,
und so schleppten wir uns träge dahin. Sobald wir die
etwa siebenhundert Meter lange, geteerte Hauptstrasse
hinter uns gelassen hatten und auf unserer Sandstraße
heimwärts gingen, nutzten wir jede willkommene Gelegenheit
zum Rasten.
Das gemauerte, etwa ein Meter hohe Brückengeländer,
das über den Pferdeeisenbahnviadukt führte, war in diesen
Tagen immer unsere erste Erholungsstation. Nachdem wir
uns unserer schweren Schultaschen entledigt hatten,
ließen wir uns im Schatten des gemauerten Brückengeländers
erschöpft nieder.
Die Schultaschen wurden nach Essbarem, einem Stück Butterbrot,
einer verdrückten Zwetschke oder einer Nagewitzbirn
abgesucht. Flaschen für Wasser zum Mitnehmen gab es
zu dieser Zeit, in den Sechzigerjahren noch nicht, und
so dürsteten wir alle gewaltig.
Heute war wieder ein neuer Änhänger Müll in die nur
etwa zehn Meter entfernte, auf der Nordostseite des
Pferdeeisenbahnviaduktes gelegene Schlucht, entleert
worden. Es roch nach scharfem Essig, dann wieder süßlich,
und schließlich rafften wir uns auf, streiften unserer
Schuhe ab, um nur ja keine Schmutz- oder Kratzspuren,
von unserer höchst fragwürdigen Aktion an unserem wertvollen
Schuhwerk zu hinterlassen, und stürmten allesamt bloßfüßig
in den Müllhaufen. Es dauerte gar nicht lange und ich
zog die ersten Schätze aus dem Müll. Ein Rad eines Puppenwagens,
ein zwar schon zerfetztes Märchenbuch, eine Babyflache
und Glasmurmeln mit farbigem, schwungvollem Innenleben.
Natürlich allesamt überaus tolle und brauchbare Fundstücke.
Dreckig, aber glücklich stopften wir unsere Beute in
die Schultasche und wanderten weiter.
Vor uns lag nun der „Heilige Berg“,
ein leicht ansteigendes Straßenstück, mit vier Kreuzwegstationen
an der linken Straßenseite.
Unter Pfarrer Schönbass wurde im Jahre 1909 dieser Kreuzweg
neu erbaut. Dank einer Wohltäterin, Frau Maria Reisinger,
vom Tonigut in Rainbach 17, schmückten ihn ab dieser
Zeit auch kunstvolle, geschnitzte Holzfiguren aus dem
Grödnertal.
Die schweren Schultaschen mit der Beute vom Müllhaufen
auf dem Rücken und die Schuhe in der rechten Hand steuerten
wir müde und immer noch durstig die erste Kreuzwegstation
an. Im Schatten der Jungfrau Maria, die sich weinend
von ihrem Sohn verabschiedet, ließen wir uns ermattet
nieder. Lange betrachtete ich mir die überaus ergreifende
Szenerie dieser holzgeschnitzten Figuren und mir war,
als ob Kühle und Kraft von diesem Ort ausgingen. Er
erfrischte uns auf eine ganz merkwürdige Weise, sodass
wir unseren Heimweg wieder aufnehmen konnten. War es
das Wissen, dass wir noch drei Stationen, die zum Rasten
einluden, vor uns hatten, oder, war es dieses überaus
angenehme Rastplätzchen gewesen, das uns gestärkt weiterwandern
ließ, ich weiß es nicht mehr, so genau.
Wieder müde geworden, machten wir bei Station zwei:
Jesus erleidet am Ölberg die Todesangst, sowie bei Station
drei: Jesus wird von Judas mit einem Kuss verraten,
abermals Rast.
Nachdem wir den Weg mit den drei Kreuzwegstationen verschwitzt
hinter uns gebracht hatten, kamen wir zum so genannte
„Baun-Holz“. Es versprach uns wieder Abkühlung, und
ja, wir begegneten wie fast täglich unserem Freund,
dem geduldigen „Straßenmacher“. Er hatte im Schatten
der Föhren am Waldesrand seine kleine Hütte, umgeben
von Sand und Schotterbutten. Er war es, der unermüdlich
jahrein und jahraus die Löcher auf unserer Sandstraße
mit Schotter und Sand auffüllte, mit der Schaufel plättete
und nach dem Rechten sah.
Ich hatte mir oft heimlich gewünscht, dass mein Vater
auch Straßenmacher gewesen wäre, ich hätte ihn dann
sicher öfter zu Gesicht bekommen.
Unser Straßenmacher Herr Kalupar hatte für unsere kindlichen
Fragen immer eine Antwort. Als wir ihn einmal fragten,
wie lange es dauern würde, bis wir eine Autobahn ins
Mühlviertel bekämen, meinte er: „Wenn ich schon lange
gestorben bin, dann wird es noch einmal 20 Jahre dauern“.
Er war ein einfacher Mann, aber er konnte hellsehen,
denn genau so ist es gekommen.
In meiner kindlichen Vorstellung hatte ich damals natürlich
gedacht, diese Autobahn würde auch nach D. Hörschlag
führen.
Nachdem wir die vierte und letzte Station
unseres Kreuzweges mit der Darstellung Jesu Geißelung
passiert hatten, wanderten wir, es war schon spät geworden,
auf dem überaus romantischen, kühlen Waldweg zum „Kiabühel“.
Hier hatten die D. Hörschläger Bauern sicher einmal
die Dorfkühe zusammen getrieben. Von dieser Anhöhe ging
es nun bergab in Richtung Dorf. Heimlich dachten wir
uns, raschen Schrittes, ein Versteck für unsere Müllhaufen-Schätze
aus, denn, dass wir im Müll gewühlt hatten, das durfte
niemand erfahren. Zuhause wusch ich mir noch schnell
bei der Wasserpumpe im Hof die dreckigen Füße und die
Hände, ließ dann Wasser in meine Handmulde rinnen und
stillte schlürfend meinen Durst. Als ich ins Haus kam,
war alles still. Mutter war auf dem Feld. Ich setzte
mich zum Tisch - ich war allein!
So manche Vorlieben für dies und jenes, die mein Erwachsenwerden
ganz automatisch geprägt hatten, sind, wie ich heute
zu wissen glaube, damals in meinen Kindertagen entstanden.
Ein ganzer Tag, so kenne ich mich ganz genau, ist für
mich noch zu wenig, wenn es darum geht, einen Flohmarkt
durchzustöbern, und lange Wanderungen sind mir heute
noch ein Greuel. Meine Liebe zu geschnitzten Figuren,
Kerzen und Skulpturen jeder Art ist ungebrochen, denn
magisch zieht es mich, wo immer ich auch bin, in Kirchen,
in Museen und zu Statuen hin. Ja, und eines mag auch
heute noch nicht: Alleine sein!
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Hallihallo!
Ich bin Tinkabell ein kleines schwarzes Pony mit einer
weißen Schnippe (ein kleiner weißer Punkt auf der Nase
des Pferdes) und 4 weißen Fesseln (so nennt man weiße
Füße). Ich bin Teil des Schulpferde-Teams des Reitzentrum
Mischingerhof in Nettingsdorf. Viele Kinder reiten auf
mir und heute gebe ich euch einen Einblick in mein Pferde-Leben.
Auf mir werden hauptsächlich Longestunden gegeben. So,
jetzt wisst ihr schon einiges über mich und ich kann
anfangen zu erzählen.
Meine Geschichte beginnt an
einem schönen Oktobermorgen.
Guten Morgen Tinki, hallt es durch den Stall. Müde richte
ich mich auf und sehe über die Boxenwand. Niki die Leiterin
des Reiterhofs kommt in den Stall. Ich wiehere freudig
denn jetzt bekommen ich und meine Freunde unsere Morgenfütterrung.
Die Morgenfütterung besteht aus einer großen Portion
Heu. Ungefähr eine Stunde nach dem Essen holen Jacki
und Niki mich und meine Freunde auf die Weide. Ist das
ein Spaß!! Endlich kann ich mich so richtig austoben!
Nach ungefähr 10 Minuten wird es mir zu viel und ich
fange an zu grasen. So gegen 12 Uhr werden wir von der
Koppel geholt. Jetzt gibt es zur Mittags Fütterung Karotten
und ein bisschen Heu. Nun gibt es eine kleine Pause.
Ab ungefähr 13 Uhr kommen meine Reitschüler. Heut kommen
wieder die zwei netten Freundinnen Nina und Iris.
Eine Geschichte von Nina Höll, 10 Jahre
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„Nüchtern betrachtet, so beginnt die
alte Frau leise zu sprechen, war das Leben der bäuerlichen
Bevölkerung in Mitteleuropa in den vorigen Jahrhunderten,
bis hinauf in die „Sechziger-Jahre“ des vergangenen
Jahrhunderts eine nie geahnte Bedürftigkeit. Ein Ausgeliefertsein
an die Arbeit.
Da steht sie nun mit ihren Erinnerungen – Anna - die
ausgemergelte Dirn vom Land.
„Eigentlich“, so fährt sie fort, „war das Leben vor
60 Jahren noch genau so, wie vor 500 Jahren, nämlich
mittelalterlich“, und unverklärt erzählt sie von der
einzigen erträglichen Zeit im Jahr - von Maria Lichtmeß
im Februar.
Ein ganzes Jahr haben wir bei den Bauern fleißig gearbeitet
und wem es nicht mehr gepaßt hatte, etwa weil der Lohn
zu gering, oder eine günstigere Stelle in Aussicht war,
hatte zu Lichtmeß gewechselt. War der Bauer mit unserer
Arbeit zufrieden, so konnte er schon Wochen vor Lichtmeß
einen weitern Arbeitsvertrag aushandeln. Hierzu hatte
er das „Drangeld“, eine Art Prämie, wie wir heute sagen
würden, zu entrichten. Eine Dirn mit hoher Verantwortung,
so wie ich, konnte schon bis zu 150 Schilling im Jahr
verdienen. Wogegen ein Großknecht, der mit Fuhrwerk,
Rösser und landwirtschaftlichen Geräten umzugehen verstand,
bis zu 300 Schilling verdienen konnte. Wenn ein kluger
Großknecht sein Verdientes zusammensparte und nicht
alles in die Wirtschaft trug, konnte er sich nach einigen
Jahren eigenes Land kaufen und sein eigener Herr sein.
Die Bäuerin hatte an Lichtmeß, den Tag des Dienstbotenwechsels
immer alle möglichen guten Speisen für die Neuankömmlinge
gekocht.
Oft hatte es an allem Möglichen gefehlt, sogar an Petroleum
und wir freuten uns alle auf den Frühling und somit
auf die lichte Zeit. Die volkstümliche Weisheit besagt:
Am 2. Februar macht die Sonne einen Sprung und die Tage
werden nun deutlich länger. Bei Neujahr wächst der Tag
einen Hahnenschritt, bis Dreikönig einen Hirschsprung
und bis Lichtmeß eine ganze Stund.
Ein Lichtmeß, im Jahre 1939, der zweite Weltkrieg war
schon in vollem Gang, werde ich mein Lebtag nie vergessen
können.
Unsere Bäuerin hatte schon seit einigen Jahren den alten
„Franzl“ der ihr für alle möglichen häuslichen Arbeiten
zugeteilt war in ihr Herz geschlossen. Er war brav und
hatte ein mitfühlendes Herz, zumal die kleine neunjährige
Steffi schon über ein Jahr mit Kinderlähmung im Bett
lag. Alle Wickeln, Kräuter und Gebete halfen nur bedingt.
Franzl schleppte also das Kind unermüdlich im Haus herum
und war unserer Bäuerin ein nie geahnter Beistand.
Hin und wieder steckte sie dem mit soviel Geduld gesegneten
alten Mann einige Leckerbissen aus der Küche heimlich
zu. Ein behindertes Kind zu haben wurde in damaligen
Zeiten als Strafe Gottes angesehen und es scherte sich
niemanden um die kleine arme Steffi.
So war die Zuwendung des alten Franzl, auch in seiner
freien Zeit eine enorme, mentale Unterstützung für die
Bäuerin. Es war die Zeit um Lichtmeß, als unser Bauer
ganz und gar ausgerastet war. Er konnte die Zuneigung
der Bäuerin für den alten Franzl und die Verschwendung
des Essens an ihn, so wie er dies nannte, nicht mehr
verantworten. Kurzerhand setze er also den alten Knecht
an Lichtmeß vor die Tür. Alles Bitten der Bäuerin half
nichts, sie mußte nun mit ihrem Kummer und der viele
Arbeit alleine klar kommen.
Eines Tages stand eine Wienerin vor
der Haustür. Sie war eine Verwandte der Bäuerin und
beschäftigte sich schon seit ihrer Jugend mit Kräuterheilkunde.
In der Bauernstube neben dem einfachen Lager der kleinen
Steffi schlug sie die Hände zusammen. Ein aufwühlendes
Gespräch fand nun statt und 14 Tage später brachte der
Briefträger ein dickes Gepäckstück. Der Inhalt verschiedene
Kräuter und ein weißes Pulver.
Binnen einem halben Jahr, nach unermüdlicher Verabreichung
dieser natürlichen „Arzneien“ konnte die Kleine wieder
die Schule besuchen. Eines Tages, es war wieder Frühjahr
geworden entdeckte Steffi beim Nachhauseweg von der
Schule im Nachbardorf auf einem Bauernhof, ihren „Freund“
den alten Franzl beim Holzhacken. Obwohl es an diesem
Tag im März noch sehr kalt war, hatte er weder Socken
noch ordentliches Schuhwerk an seinen Füßen. Mit einem
Paar abgetretenen alten Holzschuhen stand er frierend
in all den Holzscheitern. Freilich freute er sich über
die Begegnung mit der kleinen Stefanie und auch die
Kleine war vor Rührung ganz aus dem Häuschen.
Zu Hause angekommen mußte ich ihr die im vergangenen
Winter gesponnene Schafwolle aus der Holztruhe hervorkramen.
Eifrig machte sich Steffi daran dem alten Franzl ein
Paar warme Schafwollsocken zu stricken. Es war das letzte
Dankeschön an ihren geduldigen alten Freund ihrer Kinderzeit,
denn nach einem halben Jahr ist er an Lungenentzündung
gestorben.
Nun hatte er endlich Ruhe und Frieden gefunden und keine
noch so bittere Kälte konnte ihm etwas anhaben. Ich
war zwar nur eine Dirn, konnte aber die Verzweiflung,
das Mitgefühl und die oft gar ausweglosen Situationen
meiner Bäuerin und deren Töchterchen ziemlich gut verstehen.
Ja, es rührte mein Herz in einem Maße, daß ich oft bittere
Tränen weinte. Und wieder kam Maria Lichtmeß und mit
ihm ein neuer Frühling, und die Erinnerung an einen
unvergessenen treuen alten Knecht“.
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